Bewohnen – Beleben – Besetzen – Erstreiten

Es ist schon eine Weile her, soll aber dennoch nicht in Vergessenheit geraten:

Pressemitteilung einer Gruppe von Menschen zu der Banneraktion während der #Unteilbar-Demonstration in Dresden am 24.08.2019.

Banneraktion am Pirnaischen Platz

Bewohnen – Beleben – Besetzen – Erstreiten

„Am 24. August haben wir im Zuge der Unteilbar-Demo eine Transpi-Aktion auf dem Hochhaus am Pirnaischen Platz durchgeführt. Damit sollte auf steigende Mieten, sowie die kapitalistischen Mechanismen im Wohnungsmarkt und den damit verbundene Verdrängung von Menschen, Freiräumen und ihren Träumen aufmerksam gemacht werden. Wohnen und Leben sollte so stattfinden, wie jeder Mensch es will, und nicht von den Zwängen des Kapitals bestimmt werden.

Das Hochhaus am Pirnaischen Platz im DDR-typischen Internationalen Stil beherbergt 180 Wohnungen. Lange konnte das Haus als Statement dafür dienen, dass auch im Zentrum der Stadt guter Wohnraum für Menschen ohne hohes Einkommen möglich ist.

Schließlich wurde das Gebäude im Jahr 2007 erstmals an einen Investor verkauft. Bereits 2017 folgte ein weiterer Eigentümerwechsel. Ursächlich dafür ist wohl unter anderem der jahrelange Streit um die Renovierung des Gebäudes.

Absurde Züge nimmt dieser Streit durch die (lokal-)patriotische Gruppe „StadtbilDDresden“ an, die sich für den geschichtsvergessenen Umbau des Pirnaischen Platzes einsetzt. Wenn es nach ihnen geht, soll Dresden aussehen wie vor dem 2. Weltkrieg. Deshalb wollen sie das Gebäude komplett abreißen, obwohl die Bausubstanz keinerlei Probleme aufweist.[1] Dass bei solchen Plänen zwar staatliche Gelder fließen, aber nicht einmal Sozialwohnungen bedacht werden, hat sich mit der „neuen Altstadt“ in Franfurt a.M. kürzlich gezeigt. [2]

Währenddessen waren wegen „baulicher Mängel“ im Jahr 2009 nur noch ein Drittel der Wohnungen im Pirni-Hochhaus bewohnt, ehe 2017 eine „Nutzungsuntersagung wegen gravierender brandschutztechnischer Mängel“ von der Stadt verfügt wurde. Bis 2018 verblieben die letzten Mieterinnen und Mieter, die unter anderem durch ausgestellte Heizungen herausgeekelt werden sollten [3]. Seitdem steht das Haus bis auf den im vorgelagerten Flachbau untergebrachten Supermarkt komplett leer.

Wir sagten uns: Das darf nicht sein! Unnötiger Wohnleerstand sorgt besonders in Zeiten von Wohnungsnot und steigenden Mieten dafür, dass Menschen nicht mehr in ihrem gewünschten Umfeld wohnen können. Freiräume, Orte an denen mensch sich begegnen kann, Proberäume, Ateliers, Nachbarschaftsläden und vieles Andere finden ebenfalls keinen Platz. Soziale und psychische Folgen lassen sich nicht nur erahnen.

Eine Stadt, die den Bedürfnissen ihrer Bewohner*innen gerecht wird sieht anders aus. In einer solchen Stadt sollte es unmöglich sein, dass ein großes, vielfältig nutzbares Gebäude jahrelang unbelebt und unsaniert bleibt.

Daher ließen wir vier Transpis mit der Aufschrift „Bewohnen – Beleben – Besetzen – Erstreiten“ von Balkonen der unbewohnten Wohnungen herunter. Außerdem sollte vom Dach des Hauses ein 40m langes Banner, auf dem „Hier könnte dein Freiraum sein“ stand, gelassen werden.

Der Freiraum wurde jedoch schon vor dem Drop genommen, indem das Banner „verhaftet“ wurde. Die Transpis an den Balkonen sind bereits nach 2 Minuten von der Polizei entfernt worden.

Vermutlich wurde diese durch einen regen „Publikumsverkehr“ im Haus auf den Plan gerufen.

Fragwürdig bleibt der Aufwand, mit dem das Haus durch die Polizei gestürmt wurde. Mit einem unverhältnismäßig großen Aufgebot an Einsatzkräften wurden alle Wohnungen durchsucht, jede Person im Gebäude einer langwierigen ID-Maßnahme unterzogen und sämtliche Transpis konfisziert. Dass ein solches Vorgehen bei einer Lappalie, wie dem Betreten eines leerstehenden Gebäudes, ohne rechtliche Befugnisse wie einem „Hausdurchsuchungsbeschluss“ oder „Gefahr im Vollzug“ gängig ist, darf bezweifelt werden. Auch hier zeigt sich wieder einmal das besonders harte Eingreifen der Sächsischen Polizei gegen Aktivist*innen, die in dieser Gesellschaft etwas zum Besseren verändern möchten.

Die Botschaft der Staatsdiener*innen ist klar – für sie ist alles, was als progressiv gelten kann, eine Gefahr und muss bekämpft werden. Für uns zeigt dieses Handeln, dass mit dem Staat und seinen Institutionen keine gemeinsame Sache zu machen ist und wir unsere Ziele nicht durch Anbiederung an irgendwelche Autoritäten erreichen werden.

Wenn das Kapital und dessen Interessen von vier Transpis angegriffen werden, sollte keine Sekunde verschwendet werden, den Angriff abzuwehren. Scheinbar wurde mit der Forderung eine lebenswerte Stadt für Alle ermöglichen zu wollen, voll ins Schwarze getroffen.

Mit großer Freude nahmen wir die Information über die leider am gleichen Tage geräumten Besetzung vom Basteiplatz 3 auf – und würden uns weitere Aktionen, ganz gleich welcher Art, von vielen Gruppen wünschen.

Wir zeigen uns mit allen Menschen solidarisch, die von Zwangsumsiedlung oder Verdrängung – oder in einem Wort: Gentrifizierung – bedroht oder betroffen sind und begrüßen Alle, die sich einmischen und etwas dagegen tun wollen.

Wir werden weiter für das Recht auf Stadt aller Menschen streiten und dafür die Mittel wählen, die wir als angemessen empfinden. Die Stadt denen, die drin leben!“

[1] https://stadtbildd.de/positionspapier-pirnaischer-platz/

[2] https://www.zeit.de/kultur/2018-09/architektur-deutschland-frankfurt-am-main-neubau-altstadt-manufactum-rekonstruktion/komplettansicht

[3] https://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Hochhaus-Pirnaischer-Platz-Vermieter-stellt-Heizung-wieder-an

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