Pressemitteilung und Redebeiträge zur Demonstration „Lerchstand zu Freiraum“

Tiere wollen die Villa Frantelilo zurück

Am Dienstagnachmittag des 12.11.2019 fand eine Demonstration für das Recht auf Stadt und die Nutzung von Leerstand statt. Rund 60 Menschen fanden sich gegen 16 Uhr am Basteiplatz 3 zusammen, um ihre Solidarität mit den Besetzer*innen zu bekunden. Diese hatten in der Nacht auf den 24. August 2019 das Gebäude am Basteiplatz 3 besetzt und verließen dieses Haus am Abend des selben Tages unter massiven Polizeiaufgebot. In Sprechchören plädierten die Demonstrierenden gegen die Kriminalisierung der Besetzer*innen durch Staatsorgane und für die Nutzung von Leerstand

Auf dem Rasenplatz vor dem Basteiplatz 3 wurden mehrere Redebeiträge verlesen, die von den Besetzer*innen des Basteiplatzes, Hausbesetzer*innen aus Berlin und der Gruppe Recht-auf-Stadt aus Dresden verfasst und den Organisator*innen der Demonstration im Vorfeld zugesandt wurden. 

Im weiteren Verlauf der Demo lief die Gruppe der Demonstrant*innen entlang des Großen Gartens zur Bürovilla der Immobiliengruppe Castello AG. 

Demonstration zur Villa der Castello AG

Die Castello AG wirbt mit sozialen Wohnprojekten und der Umwandlung von Brachflächen. Faktisch heben die hochpreisigen Neubauprojekte der Gruppe mit entsprechend hohen Mieten für Bewohner*innen das Mietniveau in vielen Teilen Dresdens und bewirken somit einer Verschärfung der Knappheit von weniger hochpreisigen Wohnungen. Der Bedarf an günstigem Wohnraum wächst hingegen stetig. Die am 24. August 2019 besetzte Immobilie am Basteiplatz 3 gehört ebenfalls der Castello AG. Das Gelände liegt seit vielen Jahren brach, im letzten Jahr wurden ohne Genehmigung 18 Bäume auf dem Gelände gefällt. Bei einem Gespräch des Geschäftsführenden der Castello AG, Roman Lerch, mit den Besetzer*innen am Tag der Besetzung im August behauptete dieser, ein Projekt für Betreutes Wohnen am Basteiplatz ermöglichen zu wollen, bisher aber am Genehmigungsverfahren für die erforderlichen Umbaumaßnahmen scheitere. Auf Nachfrage bei der Stadt konnte diese Angabe negiert werden, da kein Antrag auf ein solches Bauprojekt bei der der Sozialbürgermeisterin der Stadt einging. Weiterhin gab Lerch an, die Besetzer*innen nicht anzeigen zu wollen, wenn sie freiwillig aus dem Haus kämen. Auch das enttarnte sich als Lüge: Den Besetzer*innen drohen nun Verfahren wegen „Schweren Hausfriedensbruch“ und die Umlage des Sachschadens von 10 000 Euro am Haus, den die Polizei während der Räumung verursachte. Weiterhin zeigte sich Lerch am Tag der Besetzung offen für eine mögliche Zwischennutzung des Gebäudes und Gartens am Basteiplatz 3. Die Versuche, solch ein Gespräch umzusetzen, scheiterten laut den Besetzer*innen jedoch am mangelnden Willen Roman Lerchs. 

In der Castello-Villa wurde aus diesem Grund am Dienstagnachmittag während der Demo ein an Roman Lerch adressierter Brief abgegeben, um ihn nochmals auf sein Versprechen hinzuweisen. Die Besetzer*innen erhoffen sich nun eine baldige Antwort.

Robin Schmidt, Aktivist*in von Wir Besetzen Dresden resümiert: “ Wir sind froh, das sich Menschen eingefunden haben, um mit uns für eine Nutzbarmachung von Leerstand zu demonstrieren“ und weiter „mit dem Demonstrationsmotto „Lerchstand zu Freiraum“, in Anlehnung an den Namen des Geschäftsführers der Castello AG, wollten wir Herr Lerch das Versprechen erinnen, mit den Besetzenden über eine mögliche Zwischennutzung in Verhandlung zu treten. Ich denke, das ist uns mit der heutigen Demonstration gelungen.“


Redebeitrag zur Villa Frantelilo

In der Nacht zum 24.08. dieses Jahres erreichte der heiße Sommer seinen vorläufigen Höhepunkt. Aktivist*innen besetzten das Haus Frantelilo, ein seit Jahren leerstehendes Gebäude am Basteiplatz 3. Das Datum war nicht zufällig gewählt, denn an diesem Tag fand auch die Unteilbar-Demonstration in Dresden statt. Über 35.000 Menschen protestierten unter anderem gegen Menschenfeindlichkeit und für eine andere Wohn- und Mietpolitik. Aus diesem Grund wurde nicht nur das Haus in Dresden-Gruna besetzt, es gab auch eine Banneraktion am Pirnaischen Platz, mit der weitere Personen ihren Widerstand gegen Verdrängung und für ein Recht auf Stadt zum Ausdruck zu brachten. Diesen Leuten richten wir an dieser Stelle unsere solidarischen Grüße aus. Es motiviert uns zu sehen, dass wir in dieser Stadt Kompliz*innen haben!

Während des ganzen Sommers gab es Aktionen, die sich mit dem selben Problemfeld beschäftigten. Scheinbesetzungen während der BRN und des Jahrestages der ersten Hausbesetzung in der Bundesrepublik Deutschland und eine Gartenparty auf einem lange leerstehenden Gelände sind nur einige der Praxen dieser Tage. Unter dem Kampagnenmotto #hotsummerdd wurde ein in Dresden lange Zeit wenig beachtetes Thema wieder in die Öffentlichkeit getragen. Der Wunsch nach einer Stadt von unten, in der Platz für jede*n ist (außer Nazis, Sexist*innen, Rassist*innen und anderen Arschlöchern natürlich). Eine Stadt, die die Menschen, die in ihr Wohnen, selbst gestalten können. In der man sich das Leben leisten kann – auch im Stadtzentrum. In der es Freiräume gibt, in denen man sich verwirklichen kann, ohne konsumieren zu müssen. 

Um Druck auf politische Verantwortungsträger*innen und Eigentümer*innen auszuüben wurde sich bewusst dafür entschieden, auch kriminalisierte Aktionsformen zu wählen, um den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Uns ist natürlich klar, dass ein wirkliches selbstbestimmtes Leben mit einem gesamtgesellschaftlichen Wandel weg vom Kapitalismus einhergehen muss. Doch wir finden es wichtig Nieschen zu finden und zu schaffen, in denen wir ein solidarisches, und herrschaftsfreies Leben schon im Hier und Jetzt ausprobieren können.

Zu guter letzt bleibt uns eigentlich nur Danke zu sagen. Danke an alle Menschen, die uns während des Sommers unterstützt haben. Danke an Jule, dass sie diese Demo angemeldet hat und uns auch am Tag der Besetzung und im Nachhinein zur Seite stand. Danke an die Menschen von Rhythms of Resistance, welche uns schon bei mehreren Aktionen begleitet haben. Danke an alle, die sich mit uns solidarisiert, unsere Aktionen über alle möglichen Kanäle geteilt und uns praktisch supportet haben. Danke an die Menschen, die am 24.08 und an die, die heute zum Basteiplatz gekommen sind, um ihren Unmut darüber auszudrücken, dass das Haus Frantelilo nach wie vor leer steht. 

Ihr alle gebt uns Kraft! Seid euch gewiss, dass diese Stadt uns nicht mehr los wird! Wir hören nicht auf! 

Der Sommer ist erst vorbei, wenn unsere Träume endlich Räume haben.


Redebeitrag zum Polizeieinsatz am 24.8.19

‚Wir besetzen Dresden‘ hat die wunderschöne Villa Frantelilo unter der Maßgabe besetzt, möglichst wenig dabei zu zerstören. Da den Aktivist*innen das Haus und das Grundstück sehr gut gefallen hat, hofften diese auf positive Verhandlungen mit dem Eigentümer, wenn die denkmalgeschützte Villa ohne Schäden bleibt. Umso entsetzter waren alle über den fragwürdigen Einsatz der Polizei an diesem Tag.

Zuerst kamen Einsatzkräfte, um die Situation am Haus zu begutachten. Schnell wurden die Einsatzfahrzeuge ums Haus immer mehr und das Haus umstellt. Auf der anderen Straßenseite wurden zu der Zeit Menschen, die sich von der noch nicht angezeigten Versammlung entfernen wollten, von Bullen gejagt, geschlagen und ohne ersichtlichen Grund ihre ID überprüft. Kurz danach ging die Zerstörung los. Die bereits offene Eingangstür wurde eingetreten und die Bullen stürmten in den unteren Teil des Hauses. Wie auf Koks rannten und schrien sie rum, wahrscheinlich gingen sie zur Einschüchterung möglichst brutal vor. Sie fanden aber nicht was sie suchten: Die Besetzer*innen, denn diese hatten sich im oberen Teil der Villa verbarrikadiert. Daraufhin wurden mehrmals unterschiedliche Polizist*innen reingeschickt: mit jedem Mal wurden sie wütender und zerlegten nach und nach Türen, Fenster, Rollläden und möglicherweise auch die Inneneinrichtung. In ihrem Wahn haben sie nicht mal bemerkt, dass die Villa noch eine zweite Eingangstür hat.

Als sie diese dann gefunden hatten, ging die Zerstörung weiter. Erst waren ein paar Bullen der Auffassung ihre Männlichkeit unter Beweis stellen zu müssen und versuchten unter einigem Gelächter der zuschauenden Kundgebung die Tür einzutreten. Nach und nach wurde mehr Werkzeug und schließlich ein Rammbock hinzugezogen. Mehr als eine halbe Stunde bearbeiteten die Cops die Tür, 20 Minuten davon mit dem Rammbock, doch die Barrikaden hielten stand. Die Tür hat trotzdem darunter gelitten und konnte erst nach dem Abbauen der Barrikaden von innen geöffnet werden.

Von der Kundgebung aus konnte man gut beobachten, wie sich die Cops Zutritt über den Balkon verschafften und dabei einige Fenster entfernten und auf die Wiese warfen. Ähnliches passierte auch mit anderen Teilen des Hauses, sowie Dingen aus dem Haus, welche aus den Fenstern geworfen wurden. 

Nachdem die Polizei Sachsen auch das 1.OG für sich deklariert hatte, versuchte sie immer wieder die herrunterhängenden Transparente aus dem Dachgeschoss zu entfernen, um eine Meinungskundgabe der Besetzer*innen möglichst zu verhindern. Dies gelang eher schlecht als recht, da die Aktivistis darauf vorbereitet waren und immer wieder neue Transparente raushingen und Runde für Runde für sich entschieden.

Währendessen zerlegten die Bullen auch noch ein Fenster im Treppenhaus des 2. OG, um auch dort das Transparent zu entfernen. Die meisten Menschen können Fenster normal am Griff öffnen, diese anscheinend nicht – lieber gleich alles kaputt hauen.

Auch die Kundgebung vor dem Haus wurde immer wieder von der Polizei drangsaliert, sowie Einzelpersonen auf sexistische und anders diskriminierende Art beleidigt. Im weiteren Verlauf der Kundgebung kam es zudem zum Einsatz von mindestens einem Zivilbeamtem, welcher genauere Aufnahmen der Aktivistis tätigte.

Krönender Abschluss des Fehlverhaltens der Cops ist jedoch die Situation, in der einer der anwesenden Anwält*innen zu den Aktivistis gezählt wurde und ebenfalls festgenommen werden sollte. Dieser hatte davor 2h Verhandlungen mit den Cops, dem Eigentümer und den Besetzer*innen geführt. Zwischendrin hatten jedoch die Einsatzzüge gewechselt und auf einmal wurde der Anwalt zum Besetzer, da die neuen Cops es ja leider nicht besser wussten. 

Die Gruppe „Wir besetzten Dresden“ kritisiert den Polizeieinsatz, sowie die Aufarbeitung durch die Landesregierung sehr stark. In einer kleinen Anfrage, welche die Landtagsabgeordnete Jule Nagel im Nachgang stellte, behauptet der sächsische Innenminister Roland Wöller doch dreister Weise, dass die Polizeikräfte sich durch die bereits zerstörten Türen Zutritt verschafft hätten und dabei kein Schaden verursacht wurde. Dies ist eine offensichtliche Lüge! Ausserdem ist davon auszugehen, dass mehr als die genannten 100 Cops im Einsatz waren! 

Dieser Einsatz zeigt deutlich, was in diesem Land das Schützenswerte ist. Es sind nicht die Menschen, die von rassistischer und faschistischer Gewalt betroffen sind und auch nicht die Menschen, die Wohnraum und Freiraum schaffen wollen. Nein das Schützenswerte in diesem Land ist Privateigentum an Immobilien und das Recht mit Wohnraum zu spekulieren. Wir können dieses Unrecht nicht hinnehmen und werden Widerstand leisten gegen eure Stadt von oben und gegen eure Repression – für eine solidarische Stadt von unten. Jede Räumung hat ihren Preis – Alerta!

Und Danke nochmal an alle solidarischen Menschen, die bis zum späten Abend vor der Villa Frantelilo ausgeharrt und den Bullen auf die Finger geschaut haben! Together we are unstoppable, Another world is possible!


Brief an Herrn Lerch

Hallo Herr Lerch, 

Wir sind die Gruppe von Menschen, welche das Haus Frantelilo am Basteiplatz, welches der Ihnen unterstehenden Castello AG gehört, am 24.08. zeitweise besetzt hatte. 

Wir melden uns bei Ihnen auf diesem Weg, da Sie sich der Gespräche mit uns bisher verweigert haben. Nach wie vor haben wir großes Interesse daran, mit Ihnen über eine mögliche Zwischennutzung des Gebäudes zu verhandeln. Wir finden es nach wie vor schade, dass die alte Villa seit Jahren leer steht. 

Um ganz offen zu sein, befremdet uns das Verhalten, was Sie nach unserem selbstständigen Verlassen des Hauses im August an den Tag legen. Wir möchten dies gern begründen: Am Tag der Besetzung behaupteten Sie, dass Sie in den Räumlichkeiten am Basteiplatz gern ein Betreutes Wohnen einrichten möchten. Ihrer Aussage nach wäre dies jedoch nicht möglich, da die Stadt sich dem verweigere. Dies stellte sich im Nachhinein als falsch heraus, da der Sozialbürgermeisterin der Stadt bis heute keine konkrete Anfrage zu dem Gebäude vorliegt. Auch sicherten Sie zu, dass beim selbstständigen Verlassen des Gebäudes durch die Aktivist*innen von einer Anzeige absehen würden. Wie wir jedoch aus der Presse erfahren mussten, entsprach auch dies nicht der Wahrheit. Besonders verwundert uns, dass wir für den entstandenen Sachschaden aufkommen sollen, obwohl wir Ihnen vor Ort schon mitteilten, dass dieser durch den Polizeieinsatz entstand – partiell sogar in Teilen des Gebäudes, die wir nicht einmal betreten haben. Wir haben während unserer Zeit im Haus darauf geachtet, die denkmalgeschützte Bausubstanz nicht zu beschädigen. Es versteht sich von selbst, dass wir daher auf Ihre Forderung, erst für den entstandenen Sachschaden aufzukommen bevor wir in Verhandlungen treten können, weder eingehen können, noch eingehen wollen. 

Dieses Verhalten Ihrerseits stimmt uns nicht sehr optimistisch, dass Sie daran interessiert sind, zu einer konstruktiven Lösung des Leerstandsproblems am Basteiplatzes 3 zu kommen. Sollte dieser Eindruck jedoch falsch und Sie doch an einer sinnvollen Nutzung der Villa interessiert sein, stehen wir Verhandlungen über eine Zwischennutzung nach wie vor offen gegenüber. Wenn dies der Fall ist , freuen wir uns auf Ihre Antwort und die Gespräche.  

Mit freundlichen Gruß

Die Besetzer*innen des Basteiplatzes 3

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