Was in viele europäischen Großstädten schon zu Normalität gehört, nimmt auch in Dresden immer sichtbarer seinen Lauf: überall klaffen riesige Baustellen, neue Wohnungen in Betonklötzern entstehen zu unerschwinglichen Mieten. Auch sonst steigen die Mietpreise in vielen Stadtvierteln rasant an und Menschen, die sich das nicht mehr leisten können, werden aus ihren Vierteln an den Rand der Stadt verdrängt oder auch mittels Zwangsräumungen auf die Straße gesetzt. Auf der anderen Seite gibt es unzählige abgesperrte Flächen und leerstehende Häuser, die dem Verfall überlassen und einer gesellschaftlichen Nutzung entzogen werden, um auf die steigenden Grundstückspreise und hohe Gewinne beim Verkauf zu spekulieren. Das alles basiert auf Aushandlungen zwischen der parlamentarischen Stadtpolitik und (Groß-)Investor*innen, die Bewohner*innen der Viertel oder Stadt haben dabei selten irgendein Mitspracherecht.
Die Gruppe „Wir besetzen Dresden“ wollte und wird diese Entwicklung nicht hinnehmen und wurde seit Anfang des Sommers 2019 aktiv.
Die erste Aktion war schon ein voller Erfolg durch die große Aufmerksamkeit in der lokalen Presse und traf augenscheinlich den Geist der Zeit. Viele Menschen haben solidarisch ihre Unterstützung angeboten. Am Rande der BRN (Bunte Republik Neustadt) wurde eine Scheinbesetzung mit Transparenten, Musik und Licht installiert. Der #hotsummer in Dresden wurde angekündigt und der politische Geist der BRN in den 90ern, als es in der Äußeren Neustadt viele besetzte Häuser gab, zurück in die Köpfe der Menschen gerufen.
Es folgten weitere Scheinbesetzungen und Banneraktionen in und um die Äußeren Neustadt, da dort die Aufwertung des Viertels mittels Neubauprojekten durch die Stadtpolitik aktiv und am offensichtlichsten voran getrieben wird. Dabei werden eine Menge leerstehender Häuser, die leicht und zu tragbaren Mieten wieder nutz- oder bewohnbar gemacht werden könnten, völlig ignoriert.
Im Juli wurde auch mit einer Gartenparty mit ca. 50 Menschen auf die vielen Brachflächen, welche fast immer gut abgezäunt und jeder Nutzung entzogen sind, aufmerksam gemacht. Es wurde musiziert und diskutiert. Vielen ist bewusst geworden, dass in einem so dicht besiedelten Viertel Flächen nutzbar gemacht werden müssen und die Zäune auf den Müll gehören – für Kunst- und Kulturangebote, freie Gestaltung und Entfaltung.
Dennoch konnten diese kleineren Aktionen nicht genügend Aufmerksamkeit in den Medien und der Gesellschaft für die veschiedenen Problematiken schaffen, und schon gar nicht irgendeine Veränderung in der Stadtpolitik herbeiführen. Daher sollte nun zu radikaleren Mitteln gegriffen werden.
Zur #Unteilbar-Demo am 24. August gingen um die 40.000 Menschen auf die Straße. Währendessen gab es neben einer großen Banneraktion zur Mietproblematik die erste öffentlich gemachte Hausbesetzung von „Wir besetzen Dresden“. Zum ersten Mal gab sich ein Teil der Gruppe in den mittlerweile charakteristischen Tierkostümen zu erkennen und hat gezeigt, dass das Thema „Mieten, Freiräume, Recht auf Stadt“ viele unterschiedliche Menschen zusammenbringt. Frauen*, LGBTQIA*, Männer*, Schüler*innen, Studierende, Lohnarbeitende, Lohnarbeitslose, Feminist*innen, Antifaschist*innen, Klimaaktivist*innen und viele andere Menschen haben gemeinsam besetzt und damit unterschiedliche linke emanzipatorische Kämpfe verbunden.
Mit dem Vorwurf des schweren Hausfriedensbruch begann die Polizei nur ein paar Minuten nach der Bekanntgabe mit der gewaltsamen Räumung der Villa Frantelilo am Basteiplatz 3. Zu unserem Bedauern hat das schöne Haus dabei schwere Schäden davon getragen. Dennoch konnten Forderungen an den Besitzer Roman Lerch und an die Stadt in die Öffentlichkeit getragen werden. Die Besetzer*innen verließen das Haus freiwillig unter der Maßgabe, dass Verhandlungen um eine zugesagte Zwischennutzung des Grundstücks stattfinden und keine Strafanzeige gestellt wird. An beides hat sich Herr Lerch, Vorsitzender der Castello Immobilien & Vermögen AG, nicht gehalten.
Aus den Erfahrungen und Fehlern der Besetzung am Basteiplatz konnte die Gruppe viel lernen und begab sich auf die Suche nach dem nächsten Projekt. Es sollten nochmal die Villen auf der Königsbrücker Straße 12-16 werden.
Am 17.01. diesen Jahres zogen dann einige kostümierte Aktivist*innen in eines der Häuser ein und eröffneten damit eine über 5 Tage dauernde Besetzung einer großen Brachfläche mit 3 Häusern mit mehreren hundert Personen. Ein fertig ausgearbeitetes Nutzungskonzept für das gesamte Grundstück lag vor und von Beginn an wurde versucht mit den Besitzenden in Verhandlungen zu treten. Die Fläche gehört zur Dental-Kosmetik GmbH und bekam daher schnell den Namen Putzi.
Im Putzi wurde von solidarischen Menschen aus verschiedensten Teilen der Gesellschaft gebaut, Material und Essen vorbeigebracht, der Garten hergerichtet und Gefahrenquellen beseitigt, Konzepte erarbeitet und Veranstaltungen organisiert. Das Feedback aus der Nachbar*innenschaft und darüber hinaus war fast durchgehend positiv und auch die Presse war den Besetzenden wohl gesonnen. Es waren 5 Tage voller Solidarität, Tatendrang, Kennenlernen und Vernetzen, Party, aber auch voller Arbeit, langen Diskussionen und Angst davor, dass uns die Räume wieder genommen werden.
So kam es auch, denn nur die Polizei hatte offensichtlich ein Problem mit dem bunten Treiben und wandte alle Mittel an, auch Strafandrohungen gegen Eigentümer*innen, um irgendjemanden zu finden, der oder die ihnen endlich die Strafanzeige unterschreibt. So folgte die 9 Stunden dauernde Räumung am 22. Januar unter großem Protest.
Mit der Besetzung wurde vielen ersichtlich, dass es mehr selbstverwaltete Räume in Dresden braucht. Auch im Stadtrat soll noch schnell vor der Sommerpause über den Leerstand und die Brachfläche auf dem „Putzigelände“ entschieden werden. „Wir besetzen Dresden“ wird versuchen dort Einfluss auf den Ausgang zu nehmen, denn wir alle wollen und brauchen Putzi zurück.
Auch wenn weitere Prozesse, ebenfalls zur Besetzung der Villa Frantelilo am Basteiplatz 3, anstehen, lassen sich die Aktivist*innen nicht unterkriegen. Gerade in Dresden brauchen wir Orte, die andere Formen des Zusammenlebens aufzeigen, die als Treffpunkt, zum Austausch und kreativen Ausleben dienen und die andere Bildungsangebote schaffen, um dem rechtsoffenen Grundkonsens in dieser Stadtgesellschaft etwas entgegensetzen zu können. Die Solidarität und Unterstützung von so vielen Menschen motiviert und es ist wieder Sommer! – Die beste Zeit um sich selbstverwaltete Häuser, Flächen und Wohnungen zu erstreiten.
Es ist an der Zeit wieder zu besetzen und sich trotz alle Prozesse auf die Stadt für und mit allen zu konzentrieren. Für mehr Räume ohne Konsumzwang, mehr Wohnraum für alle, neue Besetzungen und die Stadt von unten.
Squat the World! – #DDbesetzen